Wie stellen Sie sich das Wohnen und Leben im neuen Quartier in Kolbermoor vor? Welche Begegnungsorte und Gemeinschaftsflächen braucht es am Karolinenanger? Wie kann sich das Quartier gut in die Umgebung einfügen? Wie kann ein gutes Zusammenleben der Bewohner, Nachbarn und Bürger von Kolbermoor entstehen? Wie schaffen wir zusammen ein Projekt mit Mehrwert für alle?
Wichtige Fragen, auf die beim Bürgerbeteiligungsprozess gemeinsam Antworten gesucht wurden. Hierzu hat die Stadt Kolbermoor Anfang Dezember 2024 eine offene Bürgerbeteiligung initiiert. Im Rahmen der Veranstaltung bestehend aus einem offenen Planungscafé mit einer Gesprächsrunde für Senioren und einem Workshop für Jugendliche am Nachmittag sowie einer großen Planungswerkstatt am Abend wurden die umliegenden Nachbarn sowie die gesamte Kolbermoorer Bürgerschaft aktiv in die Planungen einbezogen. Wünsche und Vorstellungen wurden abgefragt, Sorgen und Bedenken geäußert, Ideen miteinander entwickelt. …
Bei einer von der Max von Bredow Baukultur GmbH angebotenen Baukultur-Tour konnten Interessierte zudem Einblicke in die Arbeitsweise des Projektentwicklers bekommen. Dabei wurden mit der Alten Spinnerei in Kolbermoor, wo sich auch die Büroräume der MvB Baukultur befinden, sowie dem Tannenhof in Bad Feilnbach zwei bereits erfolgreich umgesetzte Projekte in der näheren Umgebung besichtigt. Außerdem bestand die Möglichkeit mit dem Team der MvB Baukultur sowie den verantwortlichen Architekten in Austausch zu treten.
Die vollständige Dokumentation der Bürgerbeteiligung, die von den nonconform Ideenwerkstätten moderiert wurde, finden Sie hier.

Niederschlag & Hydrologie
Dippold & Gerold
Jörg Huber
Wohin fließt Ihr Regenwasser?
Voller Bedenken wurde das Thema Niederschlag & Hydrologie diskutiert. So fürchtet die Bürgerschaft, dass durch die Errichtung neuer Gebäude der Grundwasserspiegel ansteigen und Wasser in die bestehende Bebauung eindringen könnte. Mit der Bebauung des Grundstücks muss die Beseitigung des Niederschlagswasser auf dem Grundstück jedoch nachweislich gegeben sein. Durch die Errichtung von Rückhaltebecken soll die Ausgangssituation zudem weiter verbessert werden. Ein Wunsch der Bürgerschaft lautet weitere Untersuchungen zu erstellen und die direkten Auswirkungen der neuen Bebauung durch Grundwassermessstellen zu kontrollieren. Die Gefahr von potentiellen Schäden an bestehenden Gebäuden soll darüber hinaus durch den Einsatz entsprechender Verdichtungsgeräte minimiert werden. Zudem sollte es vor Baubeginn eine Beweissicherung der bestehenden Gebäude geben.

Verkehr & Mobilität
Schlothauer & Wauer
Timotheus Wischniowski
Wie sieht Ihre persönliche Mobilität in Zukunft aus?
Das Thema Verkehr & Mobilität bewegte die Bürgerschaft von Kolbermoor im Rahmen der Bürgerbeteiligung mit am meisten. Die durchgeführten Verkehrsuntersuchungen haben gezeigt, dass das bestehende Straßennetz den zusätzlichen Verkehr durchaus aufnehmen kann. Dennoch war vor allem die Belastung der Filzenstraße im Bereich der Einmündung der Fürstätter Straße Thema. Daneben wurde die Abwicklung des Baustellenverkehrs sowie die Verortung der Parkhäuser sowie deren Lärmpotential diskutiert. Die Planer sind im Rahmen der Bürgerbeteiligung auf die Sorgen und Ängste der Bürgerschaft mit Blick auf den Verkehr eingegangen und haben die angemerkten Punkte für die weitere Planung aufgenommen.

Städtebauliches Konzept
N-V-O Nuyken von Oefele Architekten
Christoph von Oefele
Welche Nutzungen zusätzlich zum Wohnen machen das Quartierszentrum zum Quartierszentrum?
Direkt am Modell überlegte die anwesende Bürgerschaft gemeinsam mit Architekt Christoph von Oefele unter anderem welche Nutzungen zusätzlich zum Wohnen das Quartierszentrum bereichern könnten – zum Beispiel eine Kreativwerkstatt. Dabei wurde hinterfragt ob und wie Gemeinschaftsnutzungen dauerhaft funktionieren können. Weitere Wünsche betrafen den Schutz des Biotops sowie die Ausweitung der Grünflächen. Vor allem mit Blick auf die Dichte und Höhe der Bebauung wurden die Wohn- und Lebensqualität sowie der allgemeine Mehrwert für Kolbermoor durch das neue Quartier diskutiert. Für viele der Anwesenden war hier insbesondere die Bezahlbarkeit der Wohnungen ein wichtiges Thema. Es wird befürchtet, dass sich das geplante Wohnungsangebot nur an besserverdienende Bevölkerungsschichten richtet. Hinterfragt wurde auch das Zusammenspiel von Parken im Parkhaus und dem Transport von Einkäufen oder schweren Dingen zu den Gebäuden sowie die mögliche Lärmemission des Parkhauses. Mit Blick auf die Mobilität wurden neben der Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sowie der Verortung der Haltestellen auch die Engstelle an der Fürstätter Straße sowie die Auslastung des bestehenden Straßennetzes besprochen.

Landschaftsarchitektur und Freiräume
toponauten
Felix Metzler
Wie müssen die Freiräume gestaltet sein, damit eine gute Aufenthaltsqualität entsteht?
Auf die Frage, wie Freiräume gestaltet sein müssen, damit eine gute Aufenthaltsqualität entsteht, wurden verschiedene Ideen und Wünsche geäußert. Durch die Schaffung grüner Korridore soll beispielsweise eine Vernetzung von bestehenden oder neu entstehenden Biotopen ermöglicht werden. Für Diskussionen sorgte der Abstand der geplanten Bebauung zur bestehenden Bebauung. Hier sollte ein möglichst großer Abstand realisiert werden, wobei auch die Positionierung und Dimension der Parkhäuser sowie die Sichtbeziehungen der Bebauung in die Umgebung mitgedacht werden sollen. Mit Blick auf die für Spiel, Sport und Abenteuer geplante Fläche wurde der Wunsch nach generationenübergreifenden Aktivitäten und unterschiedlichen Angeboten für ein möglichst breites Publikum geäußert.

Einbindung in die Gesamtstadt
Stadt Kolbermoor
Julia Wirth
Wie kann ein Mehrwert für den Stadtteil und die gesamte Stadtgesellschaft entstehen?
Diese Frage diskutierten die Anwesenden mit den Mitarbeitern der Stadt Kolbermoor. Dank ihres Anteils von 40% am Gesamtprojekt kann die Stadt die Errichtung von bezahlbarem Wohnraum sicherstellen – eine große Chance im Vergleich zu herkömmlichen Projekten, welche meist von den Projektentwicklern alleine realisiert werden. Gleichzeitig kann einem Bedarf an Wohnraum für Menschen mit besonderen Bedürfnissen entsprochen werden. Eingebettet in ein gesamtstädtisches Konzept möchte die Stadt Kolbermoor mit Blick auf die Veränderung von Mobilitätsroutinen sowie dem gesellschaftlichen Trend von „Nutzen statt Besitzen“ zusätzliche Mobilitätsformen wie Sharing-Autos oder Lastenräder in der Stellplatzsatzung berücksichtigen. Dabei wird sich auch die verkehrstechnische Erschließung städtischer Entwicklungsgebiete verändern. Vorschläge für die Einrichtung sozialer Treffpunkte für alle Generationen, die zu einem lebendigen und inklusiven Quartier beitragen, wurden positiv aufgenommen.

Wohnformen und zusätzliche Nutzungsformen
MvB Baukultur
Katrin Sommer
Welche Wohnformen und zusätzliche Nutzungen könnten auf dem Projektgebiet entstehen?
Mit Blick auf Wohn- und Nutzungsformen ist sich die Kolbermoorer Bürgerschaft einig: Die Mischung macht’s. Es sollte kleine wie große Wohnungen für Jung und Alt genauso wie privaten Wohnraum, Mietwohnungen und gemeinschaftliche Wohnformen geben. Ebenso wichtig sind den Bürgern verschiedene Treffpunkte drinnen und draußen. Neben Räumen für die Jugend könnte es auch Co-Working oder ein Freiluftkino geben. Daneben sind Inklusionsräume sowie multifunktional nutzbare Räume elementar. Gemeinschaftsgärten, Mehrgenerationen-Spielplätze sowie begrünte Dächer und zahlreiche natürliche Freiflächen sollen ein grünes Quartier entstehen lassen. Außerdem wird eine Nahversorgung am Karolinenanger gewünscht – beispielsweise mit einem multifunktionalen Café, das als Kiosk und Restaurant genutzt werden könnte oder durch eine Bäckerei mit dem Angebot eines Tante-Emma-Ladens.
Leben am Karolinenanger
Das geplante Quartier im Nordosten der Stadt soll, wie der erste städtebauliche Entwurf zeigt, Mehrwert für ganz Kolbermoor bieten – von ökologisch wie sozial nachhaltigem Wohnraum für alle Generationen über Nahversorgung, Kindergarten und Spielplatz bis zu Gemeinschaftsflächen für Bürger und Vereine. Im nächsten Schritt sollen in das hier beschriebene Konzept nun die Anmerkungen und Ideen aus der Bürgerbeteiligung eingearbeitet werden. Eine Präsentation des überarbeiteten Entwurfes ist im ersten Quartal des kommenden Jahres geplant. …
Im Fokus der Quartiersentwicklung steht die Schaffung von neuem Wohnraum, beispielsweise als Mehrgenerationenwohnen, betreutes Seniorenwohnen oder in Form von bezahlbaren Wohnungen für Menschen in Berufen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Zwischen den Wohngebäuden laden facettenreiche Freiflächen zum Verweilen ein und stärken das aktive Miteinander von Bewohnern, Besuchern und Bürgern. Die sollen auch von einer Nahversorgung wie Bäcker oder Café, oder einem von allen nutzbaren ‚Kolbermoorer Wohnzimmer‘ profitieren.
Ein durchdachtes Mobilitätskonzept, das aktuell erarbeitet wird, soll nicht nur für eine umweltfreundliche und flexible Mobilität der Bewohner sorgen, sondern könnte auch die Anzahl an privaten Autos reduzieren. Um die Lebens- und Aufenthaltsqualität im Quartier durch einen autofreien Innenbereich zu steigern, sind gut erreichbare, oberirdische Parkräume geplant. Diese könnten beispielsweise durch die Integration von Werkstätten mehrere Nutzungsmöglichkeiten in sich vereinen. Öffentliche Rad- und Gehwege sowie eine gelungene Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr garantieren kurze Wege.
Im Zentrum der Konzeptentwicklung steht ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Grundstück. So bleibt der Teufelsgraben als Biotop erhalten. Ausgleichsflächen und neue Grünflächen schaffen zusätzliche Lebensräume für die heimische Flora und Fauna. Daneben steht die kontinuierliche Vorsorge vor Starkregenereignissen unter anderem durch Regenrückhaltebecken im Fokus.